Mit klaren Worten kritisiert Jörg Frank, ehemaliger langjähriger Fraktionsgeschäfts-führer von Bündnis 90/ Die Grünen im Kölner Rat, die Haltung der Oberbürger-
meisterin und des neue Kulturdezernenten zur Stellenbesetzng beim NS-Dok:
„Auffällig und irritierend ist, dass sich weder die Oberbürgermeisterin und der neue Kulturdezernent noch die CDU und das Gestaltungsbündnis insgesamt zur Bedeutung und zum Wirken des NS-Dok öffentlich bekennen. Entsprechende Aussagen der Fraktionsführungen aus dem „Gestaltungsbündnis“ sind bislang auch nicht erfolgt. Letztlich werden politische Entscheider an ihren Taten und nicht an Sonntagsreden gegen „Rechtsextremismus und Antisemitismus“ gemessen.“
Nachfolgend seine Stellungnahme im Wortlaut:
Wiederbesetzung der Leitung des NS-Dokumentations
zentrums
Bewertung der Ergebnisse des Ausschuss Kunst und Kultur vom 5. April 2022
In der Sitzung des Ausschusses Kunst und Kultur am 5. April 2022 war der Konflikt um die Wiederbesetzung der NS-Dok-Leitung erneut auf der Tagesordnung. Dafür hatte das politisch ungewöhnliche „Bündnis“ SPD, Linke und FDP gesorgt. Die Ratsopposition hatte einen fristgerechten Antrag mit folgendem Inhalt gestellt. „Die Verwaltung wird mit der sofortigen Einleitung des Neubesetzungsverfahrens der vakanten Stelle der Leitung des NS-Dokumentationszentrums Köln beauftragt. Weiterhin hat die Verwaltung den Kulturausschuss und die Öffentlichkeit transparent über alle weiteren Schritte des Besetzungsverfahrens in Kenntnis zu setzen.“
In der Begründung wird ausgeführt: „Das NS-Dokumentationszentrum muss jedoch weiterhin in seiner Eigenständigkeit bewahrt bleiben. Selbst wenn man es langfristig konzeptionell in die Historische Mitte einbetten wollte, was erst noch dargelegt und diskutiert werden müsste …“
Der Antrag wurde ungeändert beschlossen. Eine Niederschrift der Ausschuss-Sitzung liegt bislang nicht vor. Da die Antragsteller nur über 5 von 13 Stimmen im Ausschuss verfügen, kam die Mehrheit zustande, weil die Grünen dafür stimmten und somit gegen ihren „Bündnispartner“ CDU. Die CDU lehnte den Antrag ab.
Somit ist der Wille einer Ratsmehrheit deutlich.
Die Antragsteller grenzen damit die sofortige Wiederbesetzung eindeutig von personalorganisatorischen und konzeptionellen Zielsetzungen ab, das NS-Dok in die neue Museumskonstruktion „Historische Mitte“ einzugliedern. Vor allem bei der CDU ist ein Organisationsmodell im Gespräch, das eine übergeordnete Leitung der mit Stadtgeschichte befassten Museen KSM, RGM, NS-Dok und MiQua/Jüdisches Museum verfolgt. Letzteres wird aber vom LVR geführt. Leiter ist Dr. Thomas Otten, vormals Projektleiter für die Archäologische Zone / Jüdisches Museum. Die Vereinbarung zwischen Stadt Köln und LVR legt fest, dass die Stadt Köln den Bau des Projektes finanziert und Eigentümerin der Immobilie bleibt. Der LVR entwickelt die Museumskonzeption und verantwortet den Betrieb des Museums. Der Kölner Rat hat den Grundsatzbeschluss zur Kooperation mit dem LVR 2013 gefasst.
Gemäß ihrer Organisationshoheit führt die Oberbürgermeisterin allerdings das Auswahlverfahren und die Stellenbesetzung für die Leitung einer Organisationseinheit wie z. B. das NS-Dok, eigenständig durch. Die Leitungsbesetzung für solche Organisationseinheiten (Ämter, Punktdienststellen, Regiebetriebe) unterstehen der Hauptverwaltungsbeamtin (siehe § 73 u. § 74 GO NRW). Eine Mitwirkung des Rates ist nur noch sehr eingeschränkt möglich (vgl.§ 73 Abs, 3 Satz 2).
Einige Tage vor der Ausschuss-Sitzung setzte die Verwaltung eine von der Oberbürgermeisterin gezeichnete Mitteilung mit dem Titel „Neubesetzung der vakanten Leitungsstelle des NS-Dokumentationszentrums Köln“ auf die Tagesordnung. In der Mitteilung heißt es: „Das Verfahren zur Neubesetzung der vakanten Leitungsstelle des NS-Dokumentationszentrums Köln wird von der Verwaltung eingeleitet, sobald das Anforderungsprofil der Stelle hinsichtlich der Qualifikation der Bewerber*innen definiert ist. Die Anforderungen an die Position werden mit der Konzeptentwicklung, die im Rat am 14. Dezember 2021 beschlossen wurde, verknüpft. Die Ausschreibung der Stelle wird voraussichtlich in KW 22 erfolgen, sodass das Auswahlverfahren noch vor den Sommerferien abgeschlossen werden kann. Zieltermin für die Stellenbesetzung ist Herbst 2022.
Diese Mitteilung wurde laut Protokoll der Ausschuss-Sitzung von den Ausschussmitgliedern „zur Kenntnis genommen“. Offenbar wurde ihr aber nicht in Hinsicht auf die Verknüpfung mit der Historischen Mitte widersprochen, was formal möglich wäre.
Eine Ausschreibung stellt die Oberbürgermeisterin laut ihrer Mitteilung für den Zeitraum 30.05. bis 03.06. (KW 22) in Aussicht. Aufgrund des öffentlichen Drucks, insbesondere durch die vom EL-DE-Haus e.V. initiierten Petition, sah sich die OB zu dieser Aussage gezwungen.
Noch in der Verwaltungsmitteilung zur Ausschuss-Sitzung am 08.03. wurde auf eine zeitliche Festlegung verzichtet und hingegen festgelegt: „… Daher ist vor einer Wiederbesetzung der Leitungsstelle des NS-Dokumentationszentrums zunächst zu eruieren, welchen Einfluss der in vorgenanntem Ratsbeschluss geforderte Vernetzungsansatz auf die zukünftige strukturelle Ausrichtung der hier betroffenen Einrichtungen nimmt. Diesen notwendigen Überlegungen soll nicht die Wiederbesetzung der fraglichen Stelle vorgreifen.“
An dieser Zielsetzung der Eingliederung des NS-Dok in die „Historische Mitte“ hält die Oberbürgermeisterin in der jüngsten Mitteilung unverändert fest: „Die Anforderungen an die Position werden mit der Konzeptentwicklung, die im Rat am 14. Dezember 2021 beschlossen wurde, verknüpft.“
Die Gefahr des Verlustes der Eigenständigkeit des NS-Dok ist also keineswegs gebannt. Eine Ausschreibung kann den Fokus ggf. deutlich verändern und damit fachlich kompetente und geeignete Interessierte von einer Bewerbung abhalten. Nicht zuletzt wird die Bandbreite kompetenter Bewerbungen auch dadurch eingeschränkt, sofern eine Ausschreibung nicht oder nur unzureichend der Fachwelt über Fachzeitschriften und Plattformen zugänglich gemacht wird.
Es ist unklar, ob die Verwaltung die Ausschreibung und die Modaliäten vor Veröffentlichung den VertreterInnen der Ratsfraktionen vorlegt, so dass sie Einfluss nehmen könnten.
Das NS-Dok hat Alleinstellungsmerkmale, die es erheblich von herkömmlichen Museen der Stadtgeschichte unterscheidet. Es ist eine Gedenkstätte, eine bedeutsame Forschungseinrichtung und eine Institution mit einem pädagogischen und aufklärerischen Bildungsauftrag, der z.B. auch von der Info- und Bildungsstelle (ibs) – für Demokratie – gegen Antisemitismus und Rassismus – als Teil des NS-Dok wahrgenommen wird. Insofern ist das NS-Dok eine unverzichtbare Institution der Demokratie- und Erinnerungskultur Kölns und die größte kommunale Einrichtung ihrer Art in Deutschland am Ort der ehemaligen Gestapo-Zentrale Kölns.
Welche Ziele die CDU auch immer mit der von ihr ausgehenden Intervention zur Eingliederung in die „Historische Mitte“ verfolgen mag, es ist offensichtlich, dass die Bedeutung des NS-Dok verkannt wird. Falsche Entscheidungen können dazu führen, das NS-Dok stark in seiner Arbeit und Wirkung einzuschränken.
Daher steht nach wie vor viel auf dem Spiel.
Ist das den politisch Verantwortlichen des „Gestaltungsbündnisses“ überhaupt bewusst?
Auffällig und irritierend ist, dass sich weder die Oberbürgermeisterin und der neue Kulturdezernent noch die CDU und das Gestaltungsbündnis insgesamt zur Bedeutung und zum Wirken des NS-Dok öffentlich bekennen. Entsprechende Aussagen der Fraktionsführungen aus dem „Gestaltungsbündnis“ sind bislang nicht erfolgt. Letztlich werden politische Entscheider an ihren Taten und nicht an Sonntagsreden gegen „Rechtsextremismus und Antisemitismus“ gemessen.
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