Gespräche mit Menschen im EL-DE-Haus

Dr. Henning Borggräfe, Direktor des NS-DOK im Gespräch mit Walla Blümcke
Aufnahmetechnik des EL-DE-Haus (Dietmar Orfgen), Nachbearbeitung W. Blümcke
Seit November 2022 ist Dr. Henning Borggräfe Direktor des NS-DOK in Köln, zur Halbzeit seines jetzigen Vertrages gibt es Rückblicke auf seine bisherige Zeit im Haus und Ausblicke auf die kommenden Jahre.
Geboren und aufgewachsen ist er am Rande des Ruhrgebiets in Wetter-Volmarstein, zur Schule gegangen auf eine Waldorfschule in Hagen-Haspe, die er 2001 mit dem Abitur verlassen hat. Seine Großeltern lebten mit ihm in einem Haus und haben viel über den Krieg erzählt und so auch sein Interesse für Geschichte geweckt. In Bochum hat er dann Geschichte und Politikwissenschaften studiert, war in der Punkszene und in studentischen linken Szenen unterwegs und aktiv. Sein Fokus im Studium lag auf der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert, aber eben auch auf der NS-Zeit, die für linke Szenen damals den Referenzrahmen bildete. Schrittweise entwickelte sich die NS-Zeit zum Schwerpunkt seines Interesses. So arbeitete er gegen Ende seines Masterstudiums zu Schützenvereinen in der NS-Zeit, untersuchte damit gesellschaftliches Mitmachen von solchen Feinstrukturen. Noch während der Promotionszeit arbeitete er mit im großen Projekt der Erstellung einer Dauerausstellung für die Gedenkstätte „Steinwache“, das ehemalige Polizeigefängnis in Dortmund. 2012 promovierte er mit der Arbeit „Entschädigung als Selbstaussöhnung. Die deutsche Auseinandersetzung um NS-Zwangsarbeit, 1979 – 2005“ bei Prof. Dr. Constantin Goschler. In der Post Doc-Zeit arbeitete er zu ähnlichen Themen am Kulturwissenschaftlichen Institut der Universität Essen, bevor er 2014 stellvertretender Leiter der Forschungs- und Bildungsabteilung an den Arolsen Archives und ein Jahr später dann ihr Leiter wurde – und bis 2022 blieb. Dort ging es um die digitale Gestaltung des weltweit größten Archivs zur Geschichte der NS-Verbrechen und vor allem darum, das Archiv nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Wissenschaft und Forschung zugänglich zu machen. Von Arolsen aus kam er als Direktor des NS-DOK nach Köln und hat mit dem inzwischen großen Team des Hauses in den nächsten Jahren Großes vor: die Neukonzeption der Dauerausstellung und die Erweiterung der Ausstellungsfläche.
Und wie schaltet der Mensch Henning Borggräfe ab von belastenden Themen? Früher waren es sportliche Radtouren auf Island oder durch Norwegen, seit ein paar Jahren aber gibt es wegen der Kinder etwas Ungefährlicheres, einen Kleingarten, der gut durch die Pandemie geholfen hat und in dessen Verein er als Schriftführer aktiv ist.

Dietmar Orfgen, Haustechniker im NS-Dokumentationszentrum im Gespräch mit Walla Blümcke
Aufnahmetechnik des EL-DE-Haus, Nachbearbeitung W. Blümcke
Der „Mensch im EL-DE-Haus“ ist in diesem Podcast Dietmar Orfgen, der schon seit 1997 für die Haustechnik zuständig ist. Wie vielfältig seine Arbeit ist, erzählt er in diversen Beispielen.
Seine Mutter war Österreicherin, der Vater Deutscher, aufgewachsen ist Dietmar Orfgen in Köln, wo er auch die Schulen besuchte und, nach einer kurzen Erfahrung in der schweizerischen Gastronomie, auch seine Lehre als Elektroinstallateur machte.
Nach drei Jahren Arbeit in kleinen Firmen, hat er von 1991 an für die Stadt Köln als Beleuchter im Schauspiel gearbeitet, eine schöne Herausforderung für Dietmar Orfgen, die aber auch bedeutete, bis spät in die Abende, auch an Wochenenden, zu arbeiten.
1997 ist er innerhalb der Stadt zum NS-DOK, endlich eine eigene Dienststelle im EL-DE-Haus, gewechselt. Die Anfänge im Haus, von denen er erzählt, wirken spannend: jeder brachte die Talente oder Fertigkeiten in die Arbeit des Hauses ein, um „es ans Laufen zu bringen“. Inzwischen sind die Arbeiten längst professionalisiert oder auch spezialisiert, die Kreativität der Mitarbeitenden entfaltet sich anders.
Apropos Kreativität, da gibt es noch etwas anderes, Wichtiges, in Dietmars Leben: das ist die Musik, er liebt sie. Er hat neben dem Beruf an einer Musik-Akademie E-Gitarre studiert und sich als Lehrer für das Unterrichten des Instruments qualifiziert. Früher hat er z.B. auch im Studio die Gitarre für einige „Geburtstags-CD’s“ eingespielt. Heute spielt er die akustische Gitarre in einer Irish Folk Rockband und tritt mit ihr in bekannten Locations auf.
Aber auch im EL-DE-Haus ging es um Musik, als Anita Lasker-Wallfisch in einer Veranstaltung, die Dietmar Orfgen technisch begleitet hat, zu Gast war. Sie hat von ihrem (Über-)Leben als Cellistin im Orchester von Auschwitz berichtet und ihm berührend gezeigt, dass Musik auch Leben retten kann.

Dieter Grützner, Mitglied im Förderverein EL-DE-Haus und ehrenamtlicher Mitarbeiter im NS-Dokumentationszentrum im Gespräch mit Walla Blümcke.
Aufnahmetechnik Dietmar Orfgen, EL-DE-Haus
Nachbearbeitung W. Blümcke
Dieter Grützner ist seit 2009 Mitglied im Förderverein EL-DE-Haus. In dem Jahr ist der gebürtige Dortmunder aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und ganz zu seiner Frau nach Köln gezogen. Dieses Jahr markiert aber nicht den Beginn eines gemächlichen Ruhestands, sondern vielmehr den Beginn, teils auch die Fortsetzung, einer Reihe von ehrenamtlichen Tätigkeiten.
Und wieso kommt hier ein Vereinsmitglied in der Rubrik „Menschen im EL-DE-Haus“ vor?
Weil Dieter seit 2010 ehrenamtlich im EL-DE-Haus arbeitet, das heißt, einmal die Woche hört und sichtet er für den Bereich der Dokumentation Interviews mit Zeitzeug:innen, verschlagwortet sie und macht sie über FAUST zugänglich für Forschende und Interessierte, gibt damit – wie er sagt – Impulse für deren Nutzung.
Dieter wurde im Dortmunder Norden in eine sozialdemokratische Arbeiterfamilie geboren und ist aufgewachsen am Borsigplatz, der Fußballfreunden gut bekannt ist und Dieters lebenslange Vorliebe für das gelb-schwarze Trikot initiierte. Hier ist er auch wie selbstverständlich in eine von sieben damals existierenden Gruppen des sozialistischen Jugendverbandes „Die Falken“ gegangen, was ihn für sein Leben geprägt hat. Sein Lebensweg ist insgesamt einer des „lebenslangen Lernens“: von der Volksschule über die Handelsschule in eine Lehre als Industriekaufmann; dem folgte einige Jahre später – möglich durch sozialdemokratische Bildungspolitik in den 70ern – ein FH-Studium der sozialen Arbeit und anschließende hauptamtliche Arbeit als Jugendbildungsreferent bei den Falken. Dann hat er erneut studiert, dieses Mal Erziehungswissenschaften und mit dieser Qualifikation in Projekten gearbeitet, die Jugendliche ohne Abschluss oder nach abgebrochener Lehre zu einer neuen Chance verhalfen. Von 1989 bis 2009 war er Landesgeschäftsführer des Humanistischen Verbands NRW, der 1956 als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden war. So durfte Dieter, als Sprecher ausgebildet, Tod und Heirat beurkunden, analog zu dem, was Mitarbeiter der Kirchen dürfen. Und auch im Un-Ruhestand hat er sich weitergebildet, sich am Comedia-Theater Köln zum Veranstaltungsleiter ausbilden lassen und z.B. auch das EL-DE-Haus im Rahmen der Spendenverdoppelungsaktion davon profitieren lassen.
Dieter Grützner bekennt sich als Antifaschist, hat eine klare und reflektierte Haltung aufgrund seiner Sozialisation: Sein Vater gehörte in der NS-Zeit in Dortmund zu den „Latschern“; latschen war der Gegenbegriff zu marschieren und man kann sich ihr Denken und Handeln ähnlich dem der Edelweißpiraten in Köln vorstellen. Publiziert ist seine Geschichte in dem Buch „Kinder des Widerstandes aus Köln und Umgebung. Antifaschismus als Aufgabe“ aus 2021. Mehrfach hat er mit einer Powerpointpräsentation über das Leben seines Vaters bei Arbeiterwohlfahrt, Naturfreunden, im Hoesch-Museum und im Geschichts-LK an der Gesamtschule Rodenkirchen berichtet.
Aber hören Sie sich doch an, wie er im Podcast selbst über sein Leben, Denken und Handeln erzählt: dass er im Kuratorium der Steinwache, der ehemaligen Gestapozentrale in Dortmund, war, wo auch sein Vater gelitten hatte; dass er dem Vorstand des Humanistischen Verbandes Köln angehört und Jugendfeiern organisiert; dass er in einer Kita in seinem Veedel Vorlese-Opa ist.
Und natürlich berichtet er über seine Arbeit im EL-DE-Haus, womit er sich inhaltlich beschäftigt und welche Interviews ihn besonders bewegt haben. Und er erzählt auch, was Fritz Bilz damit zu tun hat.
Patrick Fels, Fachstelle [m2] miteinander mittendrin. Für Demokratie – Gegen Antisemitismus und Rassismus im NS-Dokumentationszentrum in Köln.
im Gespräch mit Walla Blümcke
Patrick Fels (Foto: NS-DOK)
Aufnahmetechnik des NS-DOK
Nachbearbeitung: Walla Blümcke

Hans-Peter Killguss, Leiter Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs), Abteilung des NS DOK Köln
im Gespräch mit Walla Blümcke
Aufnahmetechnik des NS-DOK, Nachbearbeitung: Walla Blümcke

Stella Shcherbatova, Fachstelle [m²] miteinander mittendrin. Für Demokratie – Gegen Antisemitismus und Rassismus bei der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) im NS-Dokumentationszentrum
im Gespräch mit Walla Blümcke
Menschen im EL-DE-Haus Folge 3 Stella Shcherbatova m 2
Aufnahmetechnik: Dietmar Orfgen, Nachbearbeitung Walla Blümcke

Daniel Vymyslicky, Fachstelle [m²] miteinander mittendrin. Für Demokratie – Gegen Antisemitismus und Rassismus bei der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) im NS-Dokumentationszentrum.
Aufnahmetechnik: Dietmar Orfgen, Nachbearbeitung Walla Blümcke

Dr. Annemone Christians-Bernsee, stellvertretende Direktorin des NS DOK Köln, im Gespräch mit Walla Blümcke. Das Gespräch wurde im NS Dok am 17. Juli 2021 aufgezeichnet.
Aufnahmetechnik: Dietmar Orfgen, Nachbearbeitung Walla Blümcke
Das Foto zeigt Dr. Christians-Bernsee bei der Eröffnung zur Ausstellung „Klänge des Lebens. Geschichten von Sinte*zze und Rom*nja. Eine Ge-Denk-Station“.
Einen herzlichen Dank an Dietmar Orfgen, der in dem Haus, das eine Baustelle mit entsprechendem Lärm war, den ruhigsten Raum für das Gespräch gefunden hat!